Mitten in Aurich steht die Lambertikirche.

Architektur

Lambertikirche_Innenraum_01

Der erste Kirchbau war eine aus Backsteinen errichtete Einraumkirche von 35 Metern Länge und 12 Metern Breite.
Im Lauf der Jahrhunderte hat die Lamberti-Kirche mehrere bauliche Veränderungen erfahren. Die erste große Erweiterung wurde in der Regierungszeit des ostfriesischen Grafen Edzard I. im Jahr 1498 vorgenommen: da die Einwohnerzahl von Aurich in Folge der zentralen Lage des Ortes und seiner großen Bedeutung für den gesamten ostfriesischen Viehhandel bis an den Niederrhein, nach Westfalen und in die Niederlande stark gewachsen war, musste die Kirche entsprechend vergrößert werden. Dieses wurde erreicht, indem an der Südseite einParallelschiff von etwa gleicher Breite wie das Gebäude von 1200 angebaut wurde; der Altarraum wurde jedoch noch nicht verbreitert. Die Südmauer blieb stehen und wurde mit fünf spitzbogenartigen Öffnungen versehen. Das neu errichtete Schiff erhielt wie das alte ein Satteldach, so dass die Kirche fortan aus zwei parallelen Schiffen mit je eigenem Dach bestand.

Leider ist vom Inventar der mittelalterlichen Kirche vieles nicht mehr vorhanden. So wissen wir nur aus schriftlichen Quellen von mehreren Altären mit kunsthistorisch wertvollen Gemälden, von besonderen Kirchenstühlen und von künstlerisch bedeutenden Grabsteinen der im Chor bis 1805 beigesetzten adeligen und anderen vornehmen Toten. Auch von der ältesten Orgel, die vermutlich aus dem 16. Jahrhundert stammte, und dem Nachfolgeinstrument mit 27 Registern von Johann Friedrich Constabel aus Wittmund und seinem Schwiegersohn Adam Berner (Jever) aus dem Jahr 1760 ist bedauerlicherweise nichts erhalten. Auch von verschiedenen Alabaster- und Sandsteinfiguren sowie vom mittelalterlichen Taufstein ist nichts auf unsere Zeit überkommen.

1823 musste die Kirche wegen Baufälligkeit geschlossen werden, 1826 erfolgte ihr Abriss. Die Gottesdienste fanden bis auf weiteres in der reformierten Kirche und in der Schlosskapelle statt. Der Kirchenvorstand ließ Gutachten zur grundlegenden Renovierung der Kirche anfertigen, die aber von dem Auricher Baumeister Kommerzienrat Conrad Bernhard Meyer, der dem Kirchenvorstand angehörte, abgelehnt wurden. Meyer, der sich in Aurich durch den Bau der reformierten Kirche und verschiedener Bürgerhäuser einen Namen als rühriger Architekt erworben hatte, legte seinerseits gleich zwei Pläne für einen Neubau vor. Jedoch nahm der Kirchenvorstand in der folgenden Zeit eine Haltung ein, die von Zögern und Unentschlossenheit gekennzeichnet war. Lange bewegte sich gar nichts. Als C.B. Meyer, die treibende Kraft des Kirchbaus, 1830 starb, machte sich große Ratlosigkeit breit. Erst am 9. April 1833 konnte beim südlichen Eingang der Grundstein für den Neubau gelegt werden (siehe die Steintafel rechts vom Haupteingang an der Aussenwand), und am 15. November 1835 fand die feierliche Einweihung der neuen Kirche statt.


Der Neubau basierte im Wesentlichen auf dem ersten Plan von Meyer. Er sollte bestimmte Erfordernisse hinsichtlich der praktischen Nutzbarkeit der Kirche, die man in dem früheren Gebäude schmerzlich vermisst hatte, endlich erfüllen. Dazu zählten u.a. eine ausreichende Anzahl von Plätzen, eine gute Einsehbarkeit des Altars, der Prediger auf der Kanzel sollte möglichst von allen Plätzen aus zu sehen und gut zu verstehen sein, und schließlich wünschte man sich nach der eher düsteren Atmosphäre in der mittelalterlichen Kirche viel natürliches Licht im Kirchenraum. Diese Wünsche wurden weitestgehend erfüllt. Der Ost-West-gerichtete Kirchenraum ist ein Rechteck mit den Maßen von 32,60 Metern Länge, 19,86 Metern Breite und einer Traufenhöhe von 13,20 Metern. An der Nordseite ist ein einfacher eingeschossiger Raum als Sakristei und an der Ostseite ein geräumiges Treppenhaus angebaut. Die Kanzel war über dem Altar vor der Nordwand aufgestellt, wobei auf die traditionelle Ausrichtung nach Osten verzichtet wurde. Der Einbau von zwei an der Ost- und Südseite umlaufenden Emporen mit nach hinten ansteigendem Gestühl sicherte eine ausreichende Zahl von Plätzen (weit über 1000) und ermöglichte von überall den Blick auf den Prediger. Auf der unteren Emporenebene wurde auch auf der Westseite eine Empore eingebaut, auf der die Orgel steht. Große Fenster und die ursprüngliche Farbgebung, die bei einer Renovierung im Jahr 1984 wieder aufgebracht wurde, sorgen bis heute dafür, dass diese im klassizistischen Stil errichtete Kirche etwas vom Licht und der Helligkeit Griechenlands und Italiens widerspiegelt. An Bauwerke der klassischen Antike erinnern auch die Säulen mit dorischen Kapitellen, welche die Emporen tragen, deren Brüstungen wiederum ebenfalls kleine Säulen aufweisen.

Als Grablege wurde unter dem Ostende der Kirche ungefähr an der alten Stelle ein neues Kellergewölbe (nicht zugänglich) für die sterblichen Überreste der Cirksena, der ostfriesischen Herrscherfamilie, und anderer Nobilitäten errichtet. Im Jahr 1880 wurden die Särge der Familie Cirksena aus dem Grabgewölbe in das neueMausoleum auf dem Friedhof übergeführt (Schlüssel beim Friedhofswärter). Inzwischen sind die elf erhaltenen kunsthistorisch bedeutenden Sarkophage aufwändig restauriert.

Das Hauptportal an der Südseite ordnet sich „ohne Zwang symmetrisch in die Fassade ein und lädt, die vorgelagerte Häuserzeile nur kurz unterbrechend, zum Betreten des Gebäudes ein. Die Reihung der Halbrundfenster oben wird nicht unterbrochen; ein breiter Mittelrisalit dient dem in weißer Farbe gehaltenen Portikus als Basis. Zwei vorgestellte kannelierte dorische Säulen auf einem dreistufigen Sockel tragen Architrav und Triglyphenfries, der zum Dreiecksgiebel überleitet“ (Noah, S.12).

Quellen: Delbanco, Hillard, Kirchenführer Lamberti-Kirche Aurich, Aurich 2006 Meinz, Manfred, Der mittelalterliche Sakralbau in Ostfriesland, Aurich 1966 Noah, Robert, Die Lamberti-Kirche in Aurich. Ostfriesischer Kunstführer Heft 4 Lambertikirche in Aurich, Aurich 1982