"Merkwürdig blutleer"

Nachricht Aurich, 23. August 2020

Warum das gemeinsame Singen im Gottesdienst so wichtig ist

Eine Betrachtung von Superintendent Tido Janssen

Singen ist auch heute eine zentrale Ausdrucksform unseres Glaubens. Jetzt, wo Singen nicht uneingeschränkt möglich ist, wird uns das neu bewusst. Gottesdienste ohne gemeinsamen Gesang bleiben merkwürdig blutleer. Die innere Beteiligung ist reduziert.

Singen von bekannten Liedern bringt Menschen schnell wirkungsvoll zusammen. Dies ist eine von Martin Luthers größten Erkenntnissen. Lieder thematisieren zentrale Bestandteile unseres Glaubens. Lieder bilden auch das Gesamtgerüst der Gottesdienste.

Vor der Reformation gab es auch religiöse Musik. Meist wurde sie aber von ausgebildeten Spezialisten gesungen. Die versammelte Gemeinde blieb überwiegend stumm. Mit Luthers Einsicht vom Priestertum aller Glaubenden und Getauften steigerte sich auch die Verantwortlichkeit der Protestanten für ihren eigenen Glauben. Die Glaubensgemeinschaft muss auch daran arbeiten, dass jeder Einzelne Fortschritte im Glauben macht.

Ein gemeinsam gesungener Choral unterstützt nicht nur das Zusammengehörigkeitsgefühl. Biblische Inhalte werden in Verse gereimt und mit eingängigen Melodien verbunden. Die können sich alle gut merken und singen. Selbst die, die damals nicht lesen und schreiben konnten, verstehen die Inhalte und können sie in Kopf und Herz mit sich tragen.

Das kennen wir ja heute auch: Manche Melodie und Texte werden wir gar nicht wieder los. Der große Erfolg des protestantischen Glaubens hing auch mit dem gemeinsamen Singen zusammen. Dies war eine Revolution. Singen rührt im Innersten an und stärkt die Verbundenheit innerhalb der Gemeinde.

Ich hoffe, dass wir bald wieder überall mit Herz und Mund singen können.